Genesis Electrified GV70 Testbericht

Bereits im Test des Genesis GV70 mit Verbrennungsmotor staunte man. Und nun stellt man sich in der elektrischen Variante, die unter dem kryptischen Namen „Electrified GV70“ firmiert, erneut eine Frage: Ist der Genesis Electrified GV70 einem BMW iX3 oder Mercedes EQC von den Qualitäten nur nahe oder schon überlegen?

Mit dem von Luc Donckerwolke kreierten Design setzt sich das koreanische SUV von seinen Konkurrenten aus Süddeutschland auffällig und gefällig ab. Im Innenraum erfüllt es mehr als nur die Erwartungen. Das gilt ebenso für den Antrieb, die Ladetechnologie und die Ladezeit.

Mit dem 490 PS starken Elektroantrieb und der Technologie aus dem Hyundai Konzern, dem Genesis angehört, ist der Electrified GV70 seinen Konkurrenten aus München und Stuttgart von der Ladetechnik und den Fahrleistungen überlegen.

Die Fahrleistungen haben Sportwagenniveau. Der Elektro GV70 beschleunigt seine 2,3 Tonnen Gewicht in fast unglaublichen 4,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die 800-Volt-Ladetechnik erweist sich als überlegen. Die 77,4-kWh-Batterie, für die Genesis eine Reichweite von bis zu 455 km verspricht, ist im schnellsten Fall in nur 18 Minuten wieder von 10 auf 80 Prozent geladen.

Die Dynamik des Motors und Ladens verbindet sich im 4,72 Meter langen Fünfsitzer mit einem hohen Fahrkomfort und familientauglichen Platzangebot. Zu viert reist man, verwöhnt von Laufruhe und Komfortfeatures, bequem. Und mit genügend Platz fürs Gepäck, denn im Vergleich zum GV70 fällt der Kofferraum in der Elektrovariante mit 503 Liter Volumen kaum kleiner aus.

Die digital anzeigenden Instrumente, der 14,5 Zoll große Touchscreen und das Infotainment repräsentieren den aktuellen Stand der Technik. Das gilt auch für die Sicherheit auf 5-Sterne-Niveau im Euro NCAP Crashtest. Wenige Kompromisse macht der elektrische GV70 auch bei den Garantieleistungen. Wie für jedes Modell gewährt Genesis für den Electrified GV70 fünf Jahre Garantie, inklusive aller Inspektionen.

Dieser rundum gelungene Auftritt spiegelt sich natürlich im Preis wieder, der auf dem hohen Niveau eines BMW iX3 liegt. Der Electrified GV70 startet in der einzigen Ausstattungslinie Sport zu einem Preis von 68.480 Euro. Damit liegt der Preisaufschlag in der gleichen Ausstattungsvariante gegenüber einem GV70 mit Diesel- und Benzinmotor bei 16.500 und 13.500 Euro – ohne zusätzliche kostspielige Ausstattungspakete.

Das Premium-Segment, dem der Electrified GV70 entstammt macht sich bei den Versicherungskosten nur in der Vollkasko bemerkbar. Dort wird er mit Typklasse 29 entsprechend hoch eingestuft. In der Haftpflichtversicherung und Teilkasko bleibt es mit den Typklassen 21 und 26 noch moderat.

Mit dem von Genesis im WLTP-Zyklus angegebenen Verbrauch von 19,2 bis 19,9 kWh/100 km landet die Reichweite bei 445 bis 455 km. Wird ausschließlich in der Stadt gefahren, kann der Aktionsradius zwischen 581 und 590 km liegen.

Kann. In der Theorie des Datenblatts. Papier ist geduldig. Fahrer:innen manchmal nicht. Der Verbrauch hängt im Genesis Electrified GV70 wie in jedem Elektroauto vor allem vom Gasfuß und der Fahrweise, aber ebenfalls vom Streckenprofil, den eingeschalteten Verbrauchern (hier vor allem die Klimaanlage) und den äußeren Temperaturbedingungen ab.

Akzeptables Reichweitenversprechen

Mit seinem Reichweitenversprechen steht der Genesis Electrified GV70 im Konkurrenzumfeld gut da. BMW verspricht für den iX3 mit ähnlich großer Batteriekapazität (80 kWh) eine Reichweite von 453 bis 461 km. Im Kia EV6 GT kommt man mit voller 77,4-kWh-Batterie 424 km und im schweren Mercedes EQC 400 4MATIC mit 80 kWh Batteriekapazität 373 bis 437 km weit.

So viel zur Theorie. In der Praxis liegt der Verbrauch im Electrified GV70, dessen Kauf im Jahr 2023 vom Staat und Hersteller mit einer Umweltprämie von 4.500 Euro bezuschusst wird, eher zwischen 20 und 30 kWh und die Reichweite damit bei 250 bis 350 km.

Schnell Laden mit 800 Volt-Technik

In der Praxis geht das Aufladen, wenn mit 350 kWh geladen werden kann, dank 800-Volt-Technologie flott vonstatten. Dann ist die Batterie mit 77,4 kWh Kapazität in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen. Mit 50 kW dauert es etwa 75 Minuten und mit 11 kW an der Wallbox über 7 Stunden. An der Haushaltsteckdose beträgt die Ladedauer für eine 100-Prozent-Vollladung über 34 Stunden.

Dieser Motor hat Wucht. Mehr als man der hohen SUV-Statur des Genesis GV70 zutraut. Der Elektroantrieb des Electrified GV70 produziert mehr Leistung als der Antrieb der großen Elektrolimousine Genesis Electrified G80, der 370 PS (272 kW) leistet.

Starke Partie

Die zwei Elektromotoren produzieren wie in der stärkeren Antriebsvariante des Genesis Crossover EV60 435 PS (320 kW) und im für zehn Sekunden abrufbaren Boost-Modus, der per Tastendruck aktiviert wird, 490 PS (360 kW).

Das sorgt für einen gehörigen Schub. 700 Newtonmeter Drehmoment zwillen die 2,3 Tonnen Gewicht in 2,5 Sekunden von 80 auf 120 km/h. Die Beschleunigung ist enorm. Der Electrified GV70 sprintet in 4,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das macht Freude. Im Vergleich zum GV70 2.5T AWD (304 PS) und GV70 2.2D AWD (201 PS) ist der Electrified ein ganz anderes Dynamikkaliber.

Schneller als die Deutschen

Auch die deutschen Konkurrenten sehen nur das attraktive Heck des GV70. Wegen zu viel Gewicht oder mangels Leistung. Der 2,5 Tonnen schwere Mercedes EQC 400 4MATIC produziert zwar 760 Nm und 408 PS, die ihn in 5,1 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen lassen, rennt aber bei 180 km/h in den Begrenzer.

Der BMW iX3, der seine 400 Nm und 286 PS mit Heck- statt Allradantrieb nur an den hinteren Rädern verteilt, wird bei der gleichen Höchstgeschwindigkeit elektronisch abgeregelt und sprintet in 6,8 Sekunden von auf 100 km/h.

Nur im Kia EV6 GT, der 740 Nm und 585 PS an den vier Antriebsrädern in Haftreibung umsetzt, hat der Genesis Electrified GV70 seinen Meister gefunden. Der GT sprintet noch dynamischer. In 3,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Im Finale fährt der Kia dem Genesis auf langen Geraden mit 260 statt 235 km/h auf und davon. Aus der Verbrauchssicht macht das jedoch null Sinn, weshalb man das gewaltige Potenzial im Alltag eher selten nutzt.

Hohes Tempo, hoher Verbrauch

Wer richtig schnell im elektrischen GV70 unterwegs ist, kommt mit dem WLTP-Verbrauch von 19,2 bis 19,9 kWh/100 km nicht über die Runden. Dann muss eher mit 30 bis 35 kWh/100 km kalkuliert werden. Das ist in einem EV6 GT auch nicht anders, der im Schnitt auf dem Papier mit 20,6 kWh auskommt. Der EQC verbraucht mit 21,3 bis 25,0 kWh aufgrund seines höheren Gewichts deutlich mehr und der deutlich schwächere iX3 mit 18,5 bis 18,9 kWh ähnlich viel wie der Electrified GV70.

Komfortbetontes Fahrverhalten

Wie in den Konkurrenz-SUVs ist die Straßenlage wegen dem 482 kg schweren Akkupack im Boden und dem damit tiefen Fahrzeugschwerpunkt sehr gut. Die gut gedämmte Karosse und die aktive, mit Mikrofonen und Sensoren arbeitende Geräuschunterdrückung halten die Straßengeräusche fern. Die Federung arbeitet kommod. Mit den 235/55-Reifen im 19-Zoll-Format noch etwas komfortabler als mit den optionalen 265/45-Pneus auf 20-Zoll-Felgen.

Sportlichkeit steckt nur begrenzt im Konzept. Das ist angesichts 1,63 Meter Höhe und 2,3 Tonnen Gewicht verständlich. Spürbar ist es aber erst, wenn sich der Electrified GV70 in schnellen Kurven leicht zur Seite neigt und nach einem provozierten Lastwechsel in Richtung Kurvenrand schiebt. Der Sportmodus erhöht die Kurvenwilligkeit, ändert aber nichts grundlegend.

Und auch die Offroad-Fahrprogramme, der durch zwei E-Motoren ermöglichte Allradantrieb und die 17,4 Zentimeter Bodenfreiheit spielen im Alltag, in dem der elegante Genesis GV70 fast immer auf der Straße bewegt wird, eine Nebenrolle.

Der GV70 bleibt auch in Elektrisch ein typisches SUV-Format – Aller Hyundai-Familienbande zum Trotz steht der Genesis Electrified GV70 mit seiner SUV-typischen Höhe (1,63 m) einem BMW iX3 (1,67 m) und Mercedes EQC 400 4MATIC (1,62 m) näher als einem 1,55 Meter niedrigen EV6 GT von Hersteller Kia, der zum gleichen Mutterkonzern gehört.

Gleicher Konzern, mehr Sitzkomfort

Der im Vergleich zum EV6 GT um acht Zentimeter höhere Dachverlauf sorgt auf dem Fahrerplatz für einen besseren Überblick aufs Verkehrsgeschehen und für deutlich mehr Kopffreiheit auf der Rückbank.

Das Platzangebot entspricht dem, was man von 4,72 Meter Länge und über 1,90 Meter Breite erwarten darf. Fahrer und Beifahrer sitzen, von der breiten Mittelkonsole getrennt, in bequemen Ledersesseln, die sich im Winter beheizen und im Sommer kühlen lassen. Sitzmassage, aber gerne. Beinfreiheit, Schulterfreiheit, Kopffreiheit, alles bestens.

Dass sich die 1,63 Meter hohe Dachlinie in der Heckpartie absenkt, bekommt man weniger als erwartet zu spüren, da sich der Dachhimmel vom Dachrand im Innenraum geschwind nach oben wölbt. Deshalb sitzt man auch als 1,90 Meter großer Erwachsener hinten bequem. 

Fond: for two

Zwei Personen kommen im Fond allerdings bequemer unter als drei. Die Sitzbank bietet in der Mitte nicht viel Kontur und Halt. Zudem kommt man nur auf den äußeren Plätzen der Sitzbank in den Genuss der Sitzheizung (Bestandteil des Ausstattungspakets „Komfortpaket zweite Reihe“, Aufpreis: 650 Euro).

Variabilität: as usual

Kleiner als Anmutung und Luxus wird die Variabilität im Genesis Electrified GV70 geschrieben. Eine verschiebbare Rückbank spart sich das SUV. Der Kofferraum ist ordentlich breit, aber wegen dem abfallenden Dach am Fahrzeugende eher flach.

Die Elektrifizierung reduziert die Kofferraumkapazität allerdings nur minimal. Gegenüber den Kraftstoffverbrennern GV70 2.5T AWD und 2.2D AWD fällt der Kofferraum nur etwas kleiner aus. Mit Kraftstoff im Tank verfügt der Genesis GV70 über ein Kofferraumvolumen von 542 Liter und mit Strom in der Batterie über eine Kofferraumkapazität von 503 Liter. Dafür gibt's vorne unter der Fronthaube ein zusätzliches kleines Fach mit 25 Liter Volumen, in dem die Ladekabel ordentlich verstaut werden können.

Die im Verhältnis 1/3 zu 2/3 geteilte Rückbanklehne kann vom Kofferraum aus flach gelegt werden, um größere und längere Dinge hinter den Vordersitzen einladen zu können. Dann kommen 1.678 Liter Gepäck auf der ebenen Ladefläche unter.

Damit ist das Gepäckabteil absolut konkurrenzfähig. In einem BMW iX3 können 510 bis 1.560 Liter Gepäck verstaut werden und in einem Mercedes EQC 400 4MATIC 500 bis 1.460 Liter. In einem Kia EV6 GT fällt die Gepäckabteilung mit 480 bis 1.260 Liter deutlich kompakter aus als im Electrified GV70.

Genügt der Kofferraum nicht, geht auch Dachtransport und Ziehen im elektrischen GV70. Die maximale Dachlast liegt im Electrified GV70bei 100 kg und die zulässige Anhängelast bei 1.800 kg.

SUV-Mittelklasse mutet im Innenraum des Genesis Electrified GV70 wie Oberklasse an. Die betörende Perfektion des GV70 offenbart sich sowohl im Gesamtbild als auch in den feinen Details. Das gilt für die Technologie wie für die Optik.

Modern old style

Das Cockpit, das Interieur und die Innenausstattung wirken mit neuster Technik und schönen Reminiszenzen an die Vergangenheit zugleich nobel und modern. Die Instrumente zeigen digital an. Das herrschaftliche Zweispeichenlenkrad dahinter mit breitem Pralltopf schmeichelt der Hand und der glamouröse Drehregler der Automatik dem Auge. Die Armaturentafel und das schwarze Leder zieren noble Nähte und die Mittelkonsole attraktiv glänzende Aluoberflächen.

Die durchgehende Belüftungsleiste macht genauso Eindruck. Die Klimainsel im Cockpit wirkt so luxuriös wie das Druckgefühl auf dem Display beim Regeln der Belüftungsintensität. Die sich elegant und geschmeidig öffnende elegante Klappe in der Mittelkonsole beherbergt zwei USB-Anschlüsse. Die in der Intensität einregelbare LED-Ambientebeleuchtung und die beleuchteten Türgriffe fügen sich harmonisch ins Konzept des GV70.

Liebe zum Detail

Der Innenraum überzeugt im Detail. Auch der Beifahrersitz (und nicht nur, wie sonst üblich, der Fahrersitz) bewegt sich nach dem Öffnen der Tür elektrisch surrend nach hinten, um den Einstieg zu erleichtern. Das Hosenbein macht man sich beim Ein- und Ausstieg im GV70 nicht so schnell schmutzig, weil sich die Türen unten über den Schwellerbereich spannen.

Der Fahrersitz schmiegt sich in Kurven mit adaptiven Flankenpolstern an die Hüfte, wenn der Sportmodus aktiviert wurde. Mit den zwei Tasten an der Seite des Beifahrersitzes lässt sich vom Fahrerplatz ganz bequem die Beifahrersitzlehne flach legen, wenn ein langer Gegenstand im Fahrzeug transportiert werden soll.

Die digitalen Anzeigen präsentieren sich einwandfrei ablesbar. Die Bedienung des Infotainment geschieht weitgehend über den 14,5-Zoll-Panoramabildschirm und den hübschen zentralen Bedienregler, aber auch über Tasten. Die Menüs der Multimedia und Fahrzeugeinstellungen besitzen Bedientiefe, in der man nach etwas Eingewöhnung gut von der Tankstellensuche zum Terrain Modus hinüber taucht.

Ladegerät Auto

Die gute Serienausstattung lässt sich mit diversen Ausstattungspaketen und Ausstattungsposten noch erheblich aufwerten. Mit dem „Komfortpaket“ mit beheizbarem Lenkrad und Dreizonen-Klimaautomatik (1.390 Euro) oder „Lexicon Audiosystem“ mit aktiver Fahrgeräuschunterdrückung (1.170 Euro) bis hin zum „Vehicle-to-Load-Paket" (1.040 Euro) zum Aufladen externer elektrischer Geräte wie Laptop oder E-Bike mit der Fahrzeugbatterie.

Die Assistenzsysteme sind zahlreich. Zu den Fahrassistenten zählen der autonome Notbremsassistent, der Aufmerksamkeitsassistent, der Toter-Winkel-Assistent mit Live-Anzeige im 12,3-Zoll-Kombiinstrument, der Spurhalteassistent und der Radartempomat, der das Tempo mit Hilfe von Verkehrszeichenerkennung und Navigationssystem regelt.

Ist maximale Sicherheit das Ziel, empfiehlt sich das 4.200 Euro teure „Technikpaket“, das Sicherheits- und Assistenzsysteme wie die 360-Grad-Kamera, den Autobahnassistenten und den automatischen Einparkassistenten beinhaltet.

Sicherheit: 5 Sterne

Und die Sicherheit im Test? Im Euro NCAP Crashtest fuhr der Genesis GV70 mit Verbrennungsmotor im Seitenaufpralltest Bestnoten für den Schutz der Fahrgastzelle ein. Mehr als 20 Fahrerassistenten und zehn Airbags ließen das koreanische SUV im Test der Assistenzsysteme mit einer 87-Prozent-Wertung abschließen.

In der Testwertung Fußgängerschutz erhielt der GV70 lediglich 64 Prozent. Im Insassenschutz für Kinder und Erwachsene wurde das SUV im Test mit 89 und 87 Prozent bedacht. Die hohe Sicherheitswertung passt zum Konzept. Fünf Sterne im Euro NCAP-Crashtest entsprechen dem Familienauftrag eines SUV.

Die Luxusmarke von Hyundai startete 2015 mit dem Anspruch von hoher Sicherheit und Zuverlässigkeit. Heute gehören Fahrzeuge des Autoherstellers Genesis, dessen Modelle seit 2021 auch in Deutschland angeboten werden, zu den zuverlässigsten auf dem Markt. Daran ändert auch die Rückrufaktion wegen möglicher Probleme am Gurtstraffer nichts, die Anfang 2023 für 65.000 Genesis Modelle gestartet wurde.

Obwohl der GV70 noch zu den jungen Genesis Modellen zählt und in seiner Elektrovariante erst seit Sommer 2022 vertrieben wird, kann man bereits heute vermuten, dass es um die Zuverlässigkeit auch dieses Modells in Zukunft gut stehen wird.