KIA Stinger Testbericht
Der Kia Stinger ist eine große Limousine, die keiner von Kia erwartet hat. Ein klassischer Gran Turismo mit vier Türen, Hinterradantrieb und bis zu 366 PS.
Was gut ist
Was nicht so gut ist
KIA Stinger: Was würden Sie gerne als Nächstes lesen?
Bewertung des KIA Stinger
Der Kia Stinger kommt zu einem Preis und mit einer Serienausstattung, die im Segment von Audi A5 Sportback und BMW 4er Gran Tourismo ihresgleichen sucht.
Präsentiert wurde das Concept Car der großen Kia Limousine als „GT“ auf der Frankfurter IAA 2011. Während der Entwicklung zum Serienmodell wurde das Messe Showcar dann in Stinger umbenannt. Stinger wie Englisch: „Stachel“. Wie sinnig, denn der Stinger sticht.
Durch seine klassische Gran Turismo Linie – kurzer Frontüberhang, lange Motorhaube, geduckte Dachlinie, breitschultriges Heck – verfügt der Kia Stinger über eine eindrucksvolle Straßenpräsenz. Die Form folgt zumeist der Funktion. Die großen seitlichen Lufteinlässe unterhalb der LED-Scheinwerfer und die Kiemen in den vorderen Radhäusern dienen der Motorkühlung. Die glatte Verkleidung des Fahrzeugbodens und der sportliche Heckdiffusor verbessern die Aerodynamik.
Bei der Bedienung und Ablesbarkeit der Instrumente im edlen Cockpit (samt Stoppuhr und G-Kräfte-Anzeige) wird Funktionalität bis auf kleine Schwächen (die metallischen Tasten an der Mittelkonsole überstrahlen ihre Markierung) groß geschrieben. Beim Sitzen leidet die Funktion dann aber doch unter der sehr tiefen Karosserielinie des Stinger.
In Fahrt überrascht der Stinger dann aber wieder. Die koreanische Sportlimousine liegt satt, aber trotzdem komfortabel auf der Straße. Die Abstimmung gefällt genauso wie die präzise Lenkung und die PS kommen, abhängig vom Motor, mit Heckantrieb oder Allradantrieb auf die Straße.
Von der Fahrwerksabstimmung, der Laufkultur, der Anmutung und mit dem kräftigen Biturbomotor kommen im Kia Stinger Oberklassegefühle auf. So viel Serienausstattung und Garantie (sieben Jahre) hat die Konkurrenz aus Süddeutschland nicht zu bieten.
Und das sehr attraktive Angebot macht der Kia, den man Kia gar nicht zugetraut hat, zu einem Preis auf dem Niveau einer deutschen Mittelklasse-Limousine.
Wie viel kostet der KIA Stinger?
Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß
Der Stinger besticht auch während der Fahrt. Der erste Kia mit Heckantrieb liegt sportlich und komfortabel auf dem Asphalt und besitzt eine zielgenaue, feinfühlige und mit dem Heckantrieb völlig frei von Antriebseinflüssen arbeitende Lenkung. Wen wundert es? Die Abstimmung des Stinger übernahm Albert Biermann, ein Fahrwerksprofi, der bis 2014 bei BMW in München angestellt war. Dass sich der Ex-BMW-Mann mit dem Heckantrieb auskennt und dass die „Freude am Fahren“ (BMWs Slogan) damit auch im Stinger aufkommt, wird im gut um die Kurven gehenden Koreaner schnell klar.
Zum Modelljahr 2019 wurde das Fahrwerk noch verfeinert. Der allradgetriebene Stinger GT erhielt nun wie der schwächere Benziner und der Diesel ein mechanisches Sperrdifferential, das in den sportlichen Fahrmodi auch Drifts ermöglicht. Das adaptive Fahrwerk, das im GT zur Serienausstattung gehört und für den 2.0 T-GDI optional angeboten wird, ist nun auch für das Dieselmodell erhältlich. Mit dem unscheinbaren Drehschalter auf der Mittelkonsole lässt sich in fünf Modi (Eco, Comfort, Smart, Sport und Sport+) sowohl das Ansprechen der Automatik als auch der Servolenkung und der Dämpfer beeinflussen.
Das Topmodell GT 3.3 T-GDI bremst zudem immer mit einer leistungsfähigen und standfesten Brembo Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheibenbremsen (Durchmesser: 350 mm vorne und 340 mm hinten), Vierkolben-Bremssätteln vorn und Zweikolben-Bremssätteln hinten.
Und die Motoren? Drei Motoren, die alle die Abgasnorm Euro 6d-TEMP erfüllen, stehen zur Wahl. Neben dem 2,0-Liter-Turbobenziner und dem 3,3-Liter-Twinturbo kann man den Stinger auch mit einem verbrauchsgünstigen 2,2-Liter-Turbodiesel fahren.
Die Benziner
Der 2,0-Liter-Vierzylinderturbo mobilisiert bei 6.200 Umdrehungen 245 PS und über einen breiten Bereich von 1.400 bis 4.000 Touren ein Drehmoment von 353 Nm. Die Gangwechsel erfolgen wie mit jedem Motor im Stinger mit der von Kia entwickelten 8-Stufen-Automatik. Das geschieht entweder automatisiert wechselnd oder über die Wippen am Lenkrad.
Noch begeisternder agiert und reagiert der 3,3-Liter-Biturbomotor. Er befördert zwischen 1.300 und 4.500 Touren satte 510 Nm Drehmoment auf die vier Antriebsräder. Bei 6.000 Umdrehungen sind die 366 PS produziert und erst ab 7.000 Umdrehungen geht es in den roten Bereich.
Der Biturbo hängt klasse am Gas und katapultiert den 1,9 Tonnen schweren 3.3 T-GDI in strammen 5,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und weiter auf 270 km/h Spitze – der koreanische Standortvorteil: Im Audi und BMW ist bei 250 km/h Schluss. Die Kehrseite der Medaille ist der hohe Verbrauch des V6-Biturbo. Aus den von Kia angegebenen 10,5 Liter/100 km werden schnell zwei, drei Liter mehr.
Der Diesel
Egal wie man den Stinger anstachelt, der 2,2-Liter-Dieselmotor, der sowohl mit Heck- als auch mit Allradantrieb bestellbar ist (Werte in der Tabelle in Klammern), genehmigt sich deutlich weniger Kraftstoff aus dem 60 Liter großen Tank. Schon bei 1.750 Umdrehungen steht die volle Kraft von 440 Newtonmeter und bei 3.800 Touren die volle Leistung zur Verfügung. Bei einem Verbrauch, der in der Papierform bei 5,8 bis 6,4 Liter/100 km liegt und in der Praxis wohl ein, zwei Liter höher.
Platz und Praxistauglichkeit
1,40 und 392 – das sind nur Zahlen, aber Zahlen mit Wirkung. Die nur 1,40 Meter Höhe sind dafür verantwortlich, dass die Kopffreiheit im Fond nicht üppig ausfällt. Ab 1,80 Meter wird es eng, ab 1,90 Meter bekommt man Dachhimmelkontakt und man bemerkt als langbeiniger Insasse, dass die tiefe Sitzposition auf der Rückbank für wenig Oberschenkelauflage sorgt. Auch die Füße passen kaum unter die tief eingebauten Vordersitze – hier verdreht sich die Designformel „form follows function“ (Die Form folgt der Funktion) ins Gegenteil. Bei der Beinfreiheit (vorne: 974 mm, hinten: 939 mm) gibt es dank des langen Radstands von 2,91 Meter aber nichts zu mosern.
Am Kofferraum leider schon. Er fällt breit und sehr tief aus, aber die flache Linie und die Gepäckraumabdeckung reduzieren das Kofferraumabteil in der Höhe. Da hilft es auch nicht viel, dass diese herausnehmbar ist. Stellt man den Stinger neben eine klassische Limousine mit Stufenheck, bietet der Kofferraum des Fließhecks aber handfeste Vorteile: Ein Gepäckraumvolumen von maximal 1.114 Liter im Vergleich zu den 500 bis 550 Liter, die sonst ungefähr in Stufenhecklimousinen dieses Formats unterkommen.
Die Zuladung ist aber dennoch geringer als erwartet, besonders im attraktiven Topmodell Stinger GT. Vier 100-Kilo-Jungs müssen im Stinger 3.3 T-GDI streng genommen ohne Gepäck reisen – ungewöhnlich.
Innenraum, Infotainment und Ausstattung
Im Kia Stinger hängt die Ausstattungslinie von der Wahl des Motors ab. Der heckgetriebene 2,0-Liter-Turbobenziner und der 2,2-Liter-Diesel werden in der Ausstattungslinie GT Line angeboten und der immer auf den Allradantrieb setzende 3.3 T-GDI ausschließlich in der Linie GT.
Stinger GT Line
Im Gegensatz zu einem Audi oder BMW verfügt der Stinger schon im Basismodell über eine außergewöhnlich komplette Ausstattung mit elektrisch verstellbaren Ledersitzen mit Memory-Funktion, der Sitzheizung vorn, der Klimaautomatik und dem 8-Zoll-Radio-Navigationssystem mit neun Lautsprechern, Digitalradio (DAB) und Smartphone-Einbindung via Android Auto oder Apple CarPlay.
Die Rückfahrkamera entschärft das unübersichtliche Heck und die Zwei-Zonen-Klimaautomatik und das beheizbare, elektrisch höhen- und tiefenverstellbare Sportlederlenkrad gehören ebenso mit zur Serienausstattung wie das sehr angenehme Head-up-Display, das neben der Geschwindigkeit und den Navipfeilen auch Warnhinweise vom Spurhalte- und Toter-Winkel-Assistenten auf die Frontscheibe projiziert. Das alles sorgt für mehr Sicherheit.
Stinger GT
Im Topmodell sind die bequemen Sitze mit weichem Nappaleder bezogen und der Fahrersitz bietet mit den elektrisch verstellbaren Luftpolstern in den Sitzwangen, die auch in einem BMW M3 zum guten Ton gehören, einen optimalen Seitenhalt. Die Vordersitze verfügen obendrein über eine Sitzventilation und auch die hinteren äußeren Polster über eine Sitzheizung. Die Heckklappe öffnet sich elektrisch und sensorgesteuert und die Rundumsichtkamera entschärft nicht nur das Heck, sondern mit den Kameras beim Einparken auch den Bereich vor und neben dem Fahrzeug.
Serienmäßig sind in der Topausstattung auch die induktive Smartphone-Ladestation und das Harman/Kardon Soundsystem mit 720 Watt Gesamtleistung und 15 Lautsprechern installiert. Die von zwei Subwoofern unter dem Fahrer- und Beifahrersitz unterstützte Anlage überzeugte im Test mit einem dynamischem Klang und fundamentalem Bass.
Auch äußerlich macht der GT Unterschiede. Der 3.3 T-GDI AWD GT steht auf 19 statt 18 Zoll und ist auch an den LED-Scheinwerfern für Abblend- und Fernlicht, dem dynamischen Kurvenlicht sowie den LED-Rückleuchten mit LED-Blinkleuchten zu erkennen. Viele der Serienelemente des GT sind optional auch für die GT Line bestellbar.
Dagegen ist das Sportfahrwerk, das den Stinger tiefer liegen lässt und auch mit 20-Zoll-Rädern kombinierbar ist, dem 3.3 T-GDI und 2.2 CRDi AWD vorbehalten. Nur für das Topmodell erhält man eine Sportabgasanlage mit Klappensteuerung.
Sicherheit und Schutz
Für Sicherheit ist im Stinger immer gut gesorgt mit dem Frontkollisionswarner samt autonomem Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung, dem Stop-and-Go-Tempomat, dem teilautonomen Spurhalteassistenten (er durchlenkt selbstständig Kurven), der Verkehrszeichenerkennung und dem Müdigkeitswarner. Der GT verfügt darüber hinaus über einen Spurwechselassistenten und einen Querverkehrswarner, die optional auch im GT Line angeboten werden.
Im ADAC-Bremstest kam der Kia Stinger 3.3 T-GDI nach einer Vollbremsung aus 100 km/h nach guten 35,1 Metern zum Stehen. Das Crashverhalten der Karosserie und die Sicherung durch die elektronischen Helfer wurden im Euro NCAP-Crashtest mit der Maximalwertung von fünf Sternen bewertet.