Bentley Flying Spur Testbericht

Wem Mercedes S-Klasse und BMW 7er zu profan sind, der ist beim Bentley Flying Spur Speed genau richtig. Die 12-Zylinder-Version hebt sich noch einmal deutlich von den Brot-und-Butter-Luxuslimousinen ab.

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Wow-Wertung
9/10
Bewertet von Andreas Heise nach ausführlicher Prüfung des Fahrzeugs.

Was gut ist

  • Seltener 12-Zylinder
  • Ungewohnt sportlicher Look
  • Außerordentliche Präsenz

Was nicht so gut ist

  • Hohe Anschaffungs- und Unterhaltskosten
  • Magere Serienausstattung
  • Relativ laute Windgeräusche

Bentley Flying Spur: Was würden Sie gerne als Nächstes lesen?

Bewertung des Bentley Flying Spur Speed W12

Bentley - dieser Name steht für Luxus, Handwerkskunst und eine exklusive Lebensart. Seit 1998 gehört die britische Marke zu Volkswagen. Wie Rolls-Royce die Luxusmarke des BMW-Konzerns darstellt, so ist Bentley die Top-Adresse für Prestige und Veredelung im VW-Konzern.

Dass man sich bei Bentley in einer anderen Welt bewegt, zeigt schon der Konfigurator. Wie bei jedem anderen Hersteller können Sie sich zwar Ihr Wunschfahrzeug zusammenstellen - was das Ganze dann kostet, erfahren Sie aber erst auf Anfrage. Wer sich einen Bentley kauft, für den ist Geld eben nur Nebensache.

Drei Modelle haben die Briten aktuell im Portfolio: vom Coupé Continental GT über die Limousine Flying Spur bis hin zum Bentayga, dem ersten SUV der Marke. Wer mit offenem Verdeck majestätisch über die Straßen rollen will, für den steht der Continental GTC bereit, die Cabrio-Version des Continental GT.

Wie der Bentley beschleunigt, ist wirklich erstaunlich. Sehr gleichmäßig und unablässig. Es ist nicht so, dass man die Turbos spüren würde.

Wie rar und damit besonders ein Bentley ist, zeigt ein Blick in die Zulassungszahlen des KBA. Im Jahr 2022 wurden lediglich 591 Continental neu zugelassen - das Coupé ist das damit das mit Abstand gefragteste Modell. Für das SUV Bentayga sind 318 Neuzulassungen ausgewiesen. Unter die Kategorie "Sonstige" fallen noch weitere 5 Neuzulassungen - anzunehmen, dass sich darunter der ein oder andere Flying Spur befindet. Und genau um den geht es in diesem Test - genauer gesagt um den Bentley Flying Spur Speed W12.

Das Beste vom Besten

Der Bentley Flying Spur Speed W12 stellt quasi die Krönung der Baureihe dar. Der Zusatz "Speed" steht bei Bentley für das leistungsstärkste Derivat, das sich in diesem Fall u. a. durch einen Splitter in der Frontschürze und eine Heckschürze mit Diffusoreinsatz abhebt. Und "W12" - Sie ahnen es vielleicht schon - deutet darauf hin, was unter der langen Motorhaube schlummert, nämlich ein prestigeträchtiger Zwölfzylinder.

Wer der klassischen Chrom-Optik überdrüssig ist, greift zur optionalen Blackline-Spezifikation und taucht alle sonst glänzenden Karosserieanbauteile in Schwarz. Dazu gehören z. B. der Kühlergrill samt Gitter, die Seitenfenstereinfassungen und die Auspuffendrohre. In Kombination mit dunklen Felgen entsteht ein echter Bad-Boy-Look.

Wie viel kostet der Bentley Flying Spur Speed W12?

Wie bereits erwähnt, spricht Bentley in der Öffentlichkeit ungern über Preise. Wie gut, dass dem carwow Testwagen eine detaillierte Aufschlüsselung beilag. So ist der Bentley Flying Spur Speed W12 in der Basis mit knapp unter 220.000 Euro ausgewiesen. Halten Sie sich fest: Hinzu kommen beim Testfahrzeug Extras im Wert von über 72.000 Euro, wodurch der Gesamtpreis auf 290.000 Euro steigt.

Auch ansonsten gilt: Es sollte noch etwas Geld in der Portokasse sein. Die Kfz-Steuer liegt im Jahr bei fast 900 Euro. Bei der Kfz-Versicherung sind mehrere Tausend Euro nicht unrealistisch.

Falls Sie jetzt nervös am Rechenschieber sitzen, können wir Sie beruhigen: Ein Rolls-Royce Phantom kostet etwa eine halbe Million Euro. Da ist der Flying Spur Speed fast schon ein Schnäppchen ...

Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß

Mit dem W12 unter der Haube übertrifft der Flying Spur Speed das zweitstärkste Modell der Baureihe, den Flying Spur S mit V8, um ganze 85 PS und leistet am Ende stolze 467 kW/635 PS. Das Drehmoment ist nicht weniger beeindruckend und steigt auf 900 Nm (+130 Nm). So gelingt der 0-auf-100-Sprint in nur 3,8 Sekunden - 0,3 Sekunden schneller als beim V8-Pendant. Und das bei einem üppigen Leergewicht von 2,5 Tonnen.

Allerhand Komfortfeatures und das mächtige W12-Aggregat sind Schuld am Übergewicht, das dank der übermäßigen Leistung gekonnt kaschiert wird. Wer einmal den Launch-Control-Start vollführt, der denkt eher an Sportwagen als an Luxuslimousine. Auch wenn die Antriebsschlupfregelung spürbar bemüht ist, die Leistung auf die Straße zu bringen.

333 km/h in der Spitze

Einmal in Bewegung, zieht der Bentley aber davon, als gäbe es kein Halten mehr - ein durchaus eindrückliches Schauspiel. Eins, das man aber nicht unbedingt zu oft am Stück wiederholen sollte, immerhin werden Kupplung und Antriebsstrang durch die Launch Control stark belastet.

Ob erhöhter Verschleiß einen Bentley-Fahrer wirklich tangiert, sei dahingestellt. Und seien wir ehrlich: Bei solch einem Fahrzeug geht es doch vielmehr darum, zu wissen, dass die Leistung da ist. Dass da ein Zwölfzylinder könnte, wenn man ihn denn herausfordert. Stichwort Prestige. Und noch etwas für den Golfclub-Stammtisch: Die Vmax liegt bei wahnwitzigen 333 km/h.

Von 10,2 bis 36,3 l/100 km

Der eigentliche Einsatzzweck ist das äußerst komfortable Reisen, ob selbst am Steuer oder als Beifahrer:in im luxuriös ausstaffierten Fond. Wer seinen Bentley selbst fährt, der kann den Verbrauch noch am ehesten beeinflussen. Aber auch hier: Spielt es überhaupt eine Rolle, wie viel sich der Flying Spur Speed W12 an der Tankstelle genehmigt? Aufgrund des WLTP-Verbrauchs von 14 l/100 km ist es jedenfalls ein Leichtes, den 90-Liter-Tank in Windeseile zu leeren. Vor allem im Sport-Modus.

Im carwow Praxistest kamen wir bei Vollgas auf 36,6 Liter pro 100 Kilometer. Das reicht für gerade einmal 247 Kilometer Strecke. Bei 120 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zeigt sich die Luxuslimousine mit 10,2 l/100 km relativ genügsam. Das liegt wohl auch an der Zylinderabschaltung, die den W12 bei unter 3.000 U/min in einen Sechszylinder verwandelt.

Generell können Sie zwischen vier verschiedenen Fahrmodi wählen. Und nein, einen "Eco"-Modus gibt es nicht - das wäre auch ein Frevel bei einem Bentley. Im "Comfort"-Modus richtet sich alles auf entspanntes Reisen, während die Einstellung "Bentley" die Brücke zwischen "Comfort" und "Sport" schlägt. Im Modus "Custom" lassen sich verschiedene Parameter individuell konfigurieren.

Hightech garantiert Komfort

Egal, für welchen Modus Sie sich entscheiden - unkomfortabel wird es nie im Bentley. Das liegt am adaptiven Luftfahrwerk, aber auch am Dynamic Ride System, das Kurvenfliehkräften entgegenwirkt und die Seitenneigung reduziert. Die elektronische Allradlenkung wiederum sorgt für Wendigkeit bei niedrigen Geschwindigkeiten und ausgeprägte Laufruhe bei hohem Tempo.

Auch das Allradsystem passt sich entsprechend der Fahrsituation an: Im Comfort- und Bentley-Modus liegen an der Vorderachse bis zu 480 Nm Drehmoment an - ein ausgewogenes Fahrverhalten ist die Folge. In der Einstellung Sport sind es höchstens 280 Nm, wodurch mehr Kraft an die Hinterachse geht. Das klare Ziel: mehr Fahrdynamik.

Platz und Praxistauglichkeit

Platz? - Daran soll und wird es im Bentley Flying Spur Speed nicht scheitern. Allein die Länge von über 5,30 Metern verspricht ein erhabenes Raumgefühl. Nicht zuletzt dank des riesigen Radstandes von fast 3,20 Metern.

Natürlich sitzt es sich auf den Rücksitzen im Fond am besten. Ob Kopf- oder Beinfreiheit, ob 14-Wege-Einstellung, Heizung, Belüftung oder Massagefunktion - hier bleiben keine Wünsche offen. Dass die Bentley-Limousine auch als Auto für Selbstfahrer:innen gedacht ist, beweist die 24-Wege-Einstellung der Vordersitze. Auch vorne können Sie sich bei Bedarf wärmen, abkühlen oder massieren lassen.

In den Kofferraum passen überschaubare 420 Liter. Kein Wert für das Guinness-Buch der Rekorde, aber für ein paar Champagnerkisten sollte es reichen. Zum Vergleich: Ein Rolls-Royce Phantom schluckt ganze 548 Liter, die Mercedes-Benz S-Klasse liegt nur 8 Liter unter dem Rolls.

Innenraum, Infotainment und Ausstattung

Wie man es erwartet, hebt sich der Bentley innen durch seine hochwertige Verarbeitung und edlen Materialien ab. Seien es exklusive Carboneinlagen, perfekt gesetzte Ziernähte oder die formschönen Alu-Abdeckungen des Lautsprecher-Systems. Apropos Lautsprecher: Neben dem Basis Soundsystem können sich die Insass:innen wahlweise von Bang & Olufsen (16 Kanäle) oder Naim (20 Kanäle) betören lassen.

Ganze 15 verschiedene Lederfarben stehen im Interieur zur individuellen Ausgestaltung zur Wahl. Das Speed-Modell zeichnet sich zudem durch Sportpedale, neue Instrumenten-Grafiken, verschiedene Speed-Schriftzüge und neue Einstiegsleisten aus.

Wenn das Display rotiert ...

Wer angesichts des hohen Preises jetzt ein besonders digitales Cockpit erwartet, der wird enttäuscht. Es würde wohl auch nicht ganz zu einer britischen Luxuslimousine à la Bentley passen. Das Kombiinstrument hinter dem Lenkrad gibt sich digital - und in der Mitte des Cockpits wartet ein Infotainment-Touchscreen, jedoch nur in der weit verbreiteten Größe von 12,3 Zoll.

Doch Bentley hat ein Ass im Armel - für alle die, die sich dann doch mal so richtig von der Masse abheben wollen. Bestellen Sie einfach das Rotating Display. Wie der Name schon andeutet, rotiert der Bildschirm auf Knopfdruck. So verschwindet der Multimedia-Touchscreen und Sie blicken nach wenigen Sekunden auf drei klassische Analoganzeigen.

Schalten Sie den Wagen aus, rotiert das Display ebenfalls - in Ruhestellung ist nur eine Carbon-Blende zu sehen, die sich nahtlos in die Optik das Armaturenbretts integriert. Das Rotating Display ist an sich völlig sinnlos, macht aber mächtig Eindruck. Und darum geht es ja auch irgendwie bei einem Auto dieser Preisklasse.

Extras teils praktisch, teils Spielerei

Nach oben hin sind bei der Ausstattung kaum Grenzen gesetzt. Wie wäre es mit der Testwagen-Lackierung Anthracite Satin für fast 24.000 Euro? Natürlich lässt sich auf Wunsch auch die "Flying-B"-Kühlergrillfigur beleuchten - gegen die einmalige Zahlung von rund 3.800 Euro geht vorne mittig das Licht an.

Deutlich sinnvoller ist da schon die optionale “Touring Specification” für über 6.500 Euro. Das Paket umfasst ein Head-up-Display, eine Nachtsichtkamera, eine adaptive Geschwindigkeitsregelung und einen Spurhalteassistenten. Ja, richtig gelesen - die letztgenannten Assistenzsysteme sind keine Serie.

Sollte ein 220.000 Euro teures Auto nicht schon serienmäßig die Spur halten können? - Es wäre ein Kritikpunkt, wenn die Schieflage bei der Preis-Leistung denn jemand innerhalb der Bentley-Kundschaft interessieren würde. Wovon wir aber nicht ausgehen.

Die Nachtsichtkamera ist ähnlich wie das Rotating Display eine nette Spielerei. Und sicher etwas, das nur wenige Hersteller bieten. Jedoch fällt die Anzeige im Instrumentendisplay relativ klein aus und damit ist auch der praktische Nutzen überschaubar. Cool ist das Feature trotzdem.

Sie haben brav alle Häkchen auf der Sonderausstattungsliste gesetzt und sind immer noch hungrig auf Extras? - Kein Problem, bestellen Sie doch das exquisite Sonderzubehör wie z. B. elektrisch ausfahrbare Picknicktische. Oder Sie gehen gleich zur hauseigenen Veredelungsabteilung Mulliner. "Nothing is impossible" lautet deren Motto.

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